Die Genetische Diagnostik – Genteste

Eine genetische Labordiagnostik kann, wenn indiziert und gewünscht, im Rahmen des genetischen Beratungsgespräches entsprechend dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) eingeleitet werden.

Ein Gentest

  • kann eine auf der Grundlage einer ärztlichen Untersuchung gestellte Diagnose / Verdachtsdiagnose bestätigen oder ggf. auch ausschließen
  • kann manchmal dazu verwendet werden, um vorherzusagen, ob eine Person eine genetisch bedingte Erkrankung entwickeln wird (Prädiktiver Gentest)
  • kann in der Schwangerschaft verwendet werden, um festzustellen, ob das Kind betroffen sein wird oder nicht.

Welche Analysemöglichkeiten gibt es in der Genetischen Diagnostik?

Es gibt ein breites Spektrum von genetischen Untersuchungsmethoden, die unterschiedliche Aussagen über das Vorliegen einer genetisch bedingten Erkrankung zulassen. Die Untersuchungen finden auf verschiedenen „Ebenen“ unseres Erbguts statt. Grundsätzlich sind zytogenetische Untersuchungen (einschl. der sog. FISH-Analysen), die auf
der Ebene der Chromosomen stattfinden, von molekulargenetischen Untersuchungen, die auf der Ebene der Gene stattfinden, zu unterscheiden. Bindeglied zwischen diesen beiden Ebenen sind die molekularzytogenetischen Untersuchungen (insbesondere CGH-Array-Analyse). Die neuen Exom- oder whole-genome-Genanalysen sind ebenfalls molekulargenetische Untersuchungen, die allerdings nicht nur einzelne Gene, sondern alle relevanten Genbereiche des gesamten Erbguts abdeckt.

Hier eine Auflistung der verschiedenen Untersuchungen und deren Einsatzgebiete im Rahmen einer genetischen Diagnostik:

Chromosomenanalysen (zytogenetische Analysen) zur Diagnostik von

  • unklarer geistiger Behinderung oder Entwicklungsverzögerung
  • multiple angeborenen Fehlbildungen
  • Subfertilität / Infertilität
  • Abortneigung / Totgeburten
  • familiären Chromosomenveränderungen
  • Leukämien, Lymphome oder Plasmazellerkrankungen

Anlässe für eine vorgeburtliche (pränatale) Chromosomenanalyse:

  • Erhöhtes mütterliches Alter
  • Ultraschallauffälligkeiten
  • Chromosomenanomalien bei vorangegangenem Kind
  • Chromosomale Strukturveränderungen bei den Eltern
  • Auffällige Ergebnisse biochemischer Untersuchungen wie Ersttrimester-Screening, Integriertes Screening bzw. anderer Screening-Untersuchungen, z. B. nicht invasiver Pränataltest

FISH (Fluoreszenz – in situ – Hybridisierung)

Mit der FISH lassen sich Gen- oder Chromosomen-Auffälligkeiten direkt in Geweben, Zellkernen oder Chromosomen nachweisen.

Eine Spezialmethode in der Pränataldiagnostik ist der sog. pränatale Schnelltest. Mittels dieser speziellen FISH-Analyse können innerhalb eines Tages unkultivierte Amnionzellen auf numerische Aberrationen der Chromosomen 13, 18, 21, X und Y untersucht werden.

FISH-Analysen sind sinnvoll zum:

  • Ausschluß von kleinen Stückverlusten (Mikrodeletionen) und anderer chromosomaler Aberrationen
  • schnellen Nachweis der häufigsten Trisomien 13, 18 und 21 sowie der Geschlechtschromosomen (Interphase-FISH / Pränataler Schnelltest)
  • Nachweis Leukämie-spezifischer Chromosomenaberrationen (Tumor-FISH)

Array-CGH-Analyse (molekularzytogenetische Diagnostik)

Bei der Array-CGH-Analyse wird das gesamte Genom eines Patienten mit dem von klinisch unauffälligen Personen auf Verluste und Zugewinne im genetischen Material verglichen.

Mit der Array-CGH-Analyse können dabei weit kleinere Abweichungen (Mikrodeletionen und –duplikationen) im Genom des Patienten erkannt werden, als dies bei der normalen klassischen Chromosomenanalyse der Fall ist. Mit der herkömmlichen Chromosomenanalyse lassen sich nur bei 3 – 4 % bei einem Teil der Patienten mit einer Entwicklungsverzögerung strukturelle genomische Veränderungen nachweisen.

Während auch mit der FISH-Diagnostik gezielt nur bestimmte Regionen auf sog. Mikrodeletions/ -duplikationssyndrome untersucht werden, können mit der Array-CGH wiederum Veränderungen an (fast) jeder beliebigen Stelle im Genom analysiert und entdeckt werden.

Die Array-CGH-Analyse ist also eine hochauflösende diagnostische Untersuchung und ist indiziert bei:

  • Entwicklungsverzögerung / mentale Retardierung
  • Dysmorphiezeichen
  • Angeborene Fehlbildungen (z.B. Herzfehler, Nierenfehlbildung)
  • Fehlbildungen und Funktionsstörungen des Gehirns
  • Prä- und postnatale Wachstumsverzögerung
  • Bestimmte Wachstumsauffälligkeiten (z.B. Mikrozephalie)
  • Kombiniertes Auftreten der vorgenannten Auffälligkeiten
  • bei auffälligem Ultraschall und Ausschluss einer Trisomie 21, 18, 13 und eines Turner-Syndroms durch einen Schnelltest
  • Präzisierung der Chromosomenanalyse: Exakte Bruchpunktbestimmung, genaue Charakterisierung bei zytogenetisch erkennbaren Zugewinnen und Verlusten.
  • Abklärung balanciert erscheinender chromosomaler Strukturveränderungen bei Patienten mit unspezifischen dysmorphen Merkmalen.

Molekulargentische Analysen

Einzelgen-Analysen:

Es können gezielt Mutationen in einzelnen Genen identifiziert werden, wenn z.B. der Verdacht auf eine spezifische Erkrankung besteht oder der Familienstammbaum auf einen spezifischen Gendefekt hinweist. Ggf. müssen einzelne Gene nacheinander zeit- und kostenaufwändig sequenziert werden (Sanger-Diagnostik, Gen-nach-Gen-Verfahren)

Next Generation-Sequencing (NGS):

  • die NGS-Technikerlaubt es, die Bausteine vieler hunderter Gene parallel zu lesen (sequenzieren), um Veränderungen zu erkennen.
  • Denn für viele erbliche Krankheiten, zum Beispiel neuromuskuläre Erkrankungen, geistige Behinderungen, unklare Entwicklungsstörungen sowie auch für viele seltene Erkrankungen kommt häufig nicht nur ein spezifisches Gen in Frage, vielmehr sind es nicht selten viele verschiedene Gene, die in Betracht gezogen werden müssen.
  • NGS erlaubt die Diagnostik vieler erblicher Krankheiten, zum Beispiel neuromuskulärer Erkrankungen, geistiger Behinderungen, unklarer Entwicklungsstörungen sowie auch vieler seltener Erkrankungen, für die häufig nicht nur ein spezifisches Gen, sondern (nicht selten) viele verschiedene Gene in Betracht gezogen werden müssen
  • Mit NGS können jetzt viele in Frage kommende Gene, die mit einem bestimmten Krankheitsbild zusammenhängen in einem einzigen Sequenzierlauf gelesen werden (Gen-Panel-Analyse)
  • Mit NGS liegt eine sichere Diagnose liegt deutlich schneller vor
  • Zusätzliche, für die Patienten belastende Untersuchungen, wie etwa Muskelbiopsien, die früher zur Absicherung bestimmter Diagnosen durchgeführt wurden, sind (meist) ? nicht mehr nötig.
  • Zudem können mögliche Differenzialdiagnosen können gleichzeitig abgeklärt oder ausgeschlossen werden.
  • Auch ist die NGS-Diagnostik ist in der Summe deutlich kostengünstiger als das „Gen-nach-Gen“-Verfahren.
  • In einem erkrankungsspezifischen Gen-Panel werden dabei mehrere Gene, die mit einem bestimmten Krankheitsbild assoziiert sind, gleichzeitig sequenziert. Die Anwendung von Gen-Panels ist besonders bei heterogenen Erkrankungsgruppen wie Muskelerkrankungen, neurologischen Erkrankungsbildern, unklaren Fehlbildungs- und Retardierungssyndromen sowie auch bei Epilepsien zielführend. Das NGS ist zudem bei Bindegewebserkrankungen wegen der Vielzahl möglicher betroffener Gene eine große Hilfe. Die Anzahl der sequenzierten Gene ist abhängig von der Erkrankungsgruppe und variiert stark von wenigen einzelnen Genen bis hin zu über tausend sequenzierten Genen.

Exomanalysen

Das Exom, also die codierenden Abschnitte des Genoms (also des Erbguts bzw. unserer DNA), macht weniger als 2% des gesamten Genoms aus, jedoch dem Teil des menschlichen Erbguts, in dem 85 Prozent der bekannten krankheitsverursachenden Mutationen liegen.

  • Bei vielen syndromalen Erkrankungen, insbesondere im Kindesalter, können Symptome von verschiedenen Erkrankungsgruppen gleichzeitig auftreten. Eine Eingrenzung der in Frage kommenden Gene, die defekt sein können, ist dann nicht ohne weiteres möglich und die Diagnostik mit nur einem erkrankungsspezifischen Gen-Panel alleine nicht zielführend.
  • Zur genetischen Abklärung ist dann die Sequenzierung des gesamten Exoms (whole exome, WES) indiziert,
    die häufig auch als Trio-Diagnostik durchgeführt wird (?? S.u.).. Die whole exome-Diagnostik umfasst die Anreicherung und Sequenzierung praktisch aller relevanten proteincodierenden Bereiche (etwa 20.000 Gene).
  • Bei einer Exom-Analyse werden neben dem Patienten auch die Eltern in die Analyse einbezogen („Trio-Diagnostik“). Die Familienuntersuchung erlaubt es nach möglichen Varianten zu filtern und zielgerichtet auszuwerten. Dies führt zu höheren Aufklärungsraten, da dadurch eine bessere Identifizierung und Interpretation von bisher klinisch mit der Erkrankung nicht assoziierten Genen und Varianten dadurch möglich ist. Darüber hinaus wird durch dieses Vorgehen die Entdeckung von neu entstandenen und ursächlichen Mutationen deutlich verbessert.
  • Diese Analysen kommen insbesondere auch für pränatale Untersuchungen in Betracht, wenn in der Ultraschalluntersuchung schwere Fehlbildungen wie z.B. Herzfehler, Skelettdysplasien oder Hirnfehlbildungen festgestellt werden oder der Hinweis auf ein komplexes Syndrom besteht.

Komplexe, unspezifische Symptomatik? Ungeklärte Diagnose?
Welche Diagnostik hilft weiter ?

In diesen Fällen stellt die Exom-Sequenzierung die Methode der Wahl dar, um

  • schnell und effektiv die Ursache einer Erkrankung zu finden,
  • ein individuelles Panel entsprechend der klinischen Fragestellung frei zusammenzustellen zu können
  • eine adäquate Behandlung auszuwählen
  • die Wiederholungsrisiken oder die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, ob Patienten oder deren Angehörige eine Krankheit entwickeln.
  • Um krankheitsauslösende Varianten noch schneller zu finden, kann eine Trio-Exom-Diagnostik sinnvoll sein. Dafür werden neben der Patienten-DNA auch Blutproben der Eltern in die Analyse einbezogen.

Clinical Exome (Klinisches Exom):

Beim „Clinical Exome“ es handelt es sich um die simultane Analyse von derzeit 3.963 Genen mittels Next-Generation-Sequencing (NGS). Die Ausrichtung der Analyse auf diese krankheitsassoziierten Gene bietet gegenüber der Analyse des kompletten Exoms (22.000 Gene) oder gar des kompletten Genoms einige Vorteile.

Neben den deutlich geringeren Kosten aufgrund des erheblich geringeren Aufwands und einer schnelleren Bearbeitungszeit sind hier vor allem

  • eine einfachere Interpretation der Daten sowie
  • eine deutlich höhere Abdeckung der krankheitsrelevanten Gene zu nennen.

Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, die genetische Ursache einer Erkrankung nachzuweisen.

Genetische Anlageträgerteste (Carrier-Teste)

  • Hierdurch können Anlageträgerschaften für rezessive Erkrankungen bei klinisch gesunden Personen erkannt werden können (Carrier-Screening, Heterozygoten-Screening).
  • Heterozygoten-Screening kann unabhängig von der Ethnie angeboten werden (nicht-direktives, pan-ethnisches Carrier-Screening).
  • Carrier-Tests sind sinnvoll, wenn eine Risikoerhöhung für autosomal rezessive Erkrankungen erkennbar ist (bei blutsverwandten Paaren; bei Paaren gleicher ethnischer Herkunft, für die aufgrund einer historisch isolierten Population ein vermehrtes Auftreten von rezessiven Erkrankungen bekannt ist; bei Paaren mit dem Verdacht auf eine genetisch-bedingte Erkrankung in der Familie, die bei dem Betroffenen nicht genetisch zugeordnet wurde/werden konnte.